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Formel 1: Kann ein Gerichtsverfahren Max Verstappen noch die Weltmeisterschaft kosten?

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Am Sonntagabend hat Max Verstappen die Weltmeisterschaft der Formel 1 in einer letzten spannenden Runde in Abu Dhabi gewonnen. Nach dem Rennen legte Mercedes sofort Protest bei der Rennleitung ein. Die Rennleitung lehnte den Protest ab, aber Mercedes wird es nicht dabei belassen. Die Verantwortlichen von Mercedes haben angekündigt, dass Sie rechtliche Schritte gegen die FIA einleiten werden. In diesem Blogartikel werde ich genauer darauf eingehen, ob Mercedes in diesem Verfahren eine Chance hat.

Safety-Car-Phase

Aufgrund eines Unfalls gegen Ende des Rennens musste das Safety-Car auf die Strecke. Zu diesem Zeitpunkt lag Lewis Hamilton in Führung. Max Verstappen war Zweiter des Rennens, aber zwischen ihm und Hamilton lagen noch weitere fünf Fahrer, die von Hamilton überrundet, aber noch nicht von Verstappen überholt worden waren.

Freie Fahrt für überrundete Rennfahrer

Die Rennleitung beschloss, den fünf Fahrern während der Safety-Car-Phase freie Fahrt zu gewähren. Infolgedessen konnte Max Verstappen zu Beginn der letzten Runde direkt an das Hinterrad von Hamilton aufschließen. Durch einen Reifenwechsel während der Safety-Car-Phase hatte Verstappens Auto schnellere Reifen, konnte Hamilton in der letzten Runde überholen und letztendlich das Rennen gewinnen. Mercedes war mit der Entscheidung der Rennleitung nicht einverstanden und legte bereits innerhalb von 30 Minuten nach Ende des Rennens Protest ein.

Rechtsgrundlage

Der Protest von Mercedes stützte sich auf Artikel 48 des FIA-Reglements, der dann in Kraft tritt, wenn sich ein Safety-Car auf der Strecke befindet. Dieser Artikel besagt, dass auf Anweisung der Rennleitung “any cars that have been lapped by the leader”, das Safety-Car überholen und sich hinten einreihen müssen und das “once the last lapped car has passed the leader the safety car will return to the pits at the end of the following lap”.

Argumentation von Mercedes

Mercedes argumentierte: Wenn dieses Protokoll befolgt worden wäre, hätte das Safety-Car die Strecke nicht nach der vorletzten Runde, sondern erst nach der letzten Runde (und damit erst nach dem Ende des Rennens) verlassen dürfen. In diesem Fall hätte Hamilton das Rennen gewonnen.

Ablehnung des Protests

Dieser Protest wurde von der Rennleitung zurückgewiesen. Unter Bezugnahme auf denselben Artikel erklärte die FIA, dass darin auch festgelegt ist, dass die Rennleitung jederzeit entscheiden kann, das Safety-Car in die Boxengasse zurück zu schicken, sofern die Strecke wieder gesichert ist. Nach Ansicht der Rennleitung hat diese Entscheidung Vorrang vor dem von Mercedes aufgeführten Artikel und setzt diesen damit außer Kraft.

Berufungsverfahren beim ICA

Mercedes kündigte daraufhin an, dass der Rennstall gegen die Entscheidung beim International Court of Appeal (ICA) Berufung Im Niederländische Zivilverfahrensrecht gibt es den Grundsatz, dass die Prüfung in zwei Instanzen stattfindet: jedermann hat das Recht, eine erneute Behandlung eines Gerichtsstreits durch ein höheres Gericht zu beantragen.
» Meer over berufung
Berufung
einlegen wird. Der ICA ist die Berufungsinstanz des Motorsportverbands (FIA). Der ICA wird die Entscheidung der Rennleitung auf der Grundlage der FIA Judicial and Disciplinary Rulesüberprüfen. Mercedes kann den ICA auch um eine Entscheidung über die Auslegung und Anwendung der genannten Vorschriften ersuchen.

Wie stehen die Chancen bei einem Berufungsverfahren?

Es ist immer schwierig, das Ergebnis vorherzusagen, aber nach einer ersten Durchsicht des FIA-Reglements erscheint ein Erfolg von Mercedes durch ein Berufungsverfahren als sehr unwahrscheinlich. Außerdem ist es fraglich, ob sich an der Rangliste der Formel 1-Weltmeisterschaft etwas ändern wird, sollte der Berufung von Mercedes stattgegeben werden.

Auslegung

Das Hauptargument von Mercedes ist, dass das Protokoll nicht eingehalten wurde. Rechtlich gesehen hat Mercedes damit Recht. Das FIA-Reglement schreibt nämlich vor, dass das Safety-Car die Strecke erst dann verlässt, wenn alle überholten Fahrzeuge vorbeigefahren sind und eine volle Runde absolviert wurde. Es stellt sich jedoch nun die Frage, ob dieses Protokoll in allen Fällen befolgt werden kann oder befolgt werden sollte.

Ermessensspielraum

Das FIA-Reglement legt in Artikel 15.3 fest, dass die Rennleitung bei der Entscheidung, das Safety-Car auf die Strecke zu bringen oder von der Strecke zu nehmen, über einen großen Ermessensspielraum verfügt. Die Rennleitung kann daher unter bestimmten Umständen auch entscheiden, das Safety-Car sofort in die Boxengasse zurück zu holen. Red Bull Racing wird daher argumentieren, dass diese oben genannte Entscheidungsfreiheit sinnlos wäre, wenn die Rennleitung an ein starres Protokoll gebunden wäre.

Faktor Sportsgeist

Darüber hinaus haben alle Teams vor der Saison erklärt, dass sie es vorziehen, ein Rennen unter “green conditions” zu beenden, d. h. ohne Safety-Car auf der Strecke. Dahinter steht die Idee, auf der Grundlage eines echten Wettkampfes zwischen den Teams einen Sieger zu ermitteln. Und das ist natürlich die Grundvoraussetzung für jede Sportart.

Sanktionen?

Außerdem stellt sich die Frage, was genau der ICA tun kann, sollte dieser zugunsten von Mercedes entscheiden. Nach Artikel 10.10 der FIA-Judicial and Disciplinary Rules hat der ICA die gleichen Befugnisse wie die Rennleitung, und es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Rennergebnisse ändern oder sogar für ungültig erklären kann. Der ICA kann jedoch nicht entscheiden, dass das Rennen wiederholt werden soll.

Wird das Rennen für ungültig erklärt werden?

Es wird nach jetzigem Stand erwartet, dass Red Bull Racing argumentieren wird, dass sie nicht benachteiligt werden sollten durch die Entscheidung der Rennleitung. Sie könnten argumentieren, dass selbst bei korrekter Anwendung des Protokolls es nicht zu 100 % sicher gewesen wäre, dass Hamilton das Rennen gewonnen hätte. Er hätte zum Beispiel in der letzten Runde ausfallen können. Da das Rennen nicht wiederholt werden kann, ist es nicht undenkbar, dass – sollte der Berufung stattgegeben werden – das Rennen in seiner Gesamtheit für ungültig erklärt wird. In diesem Fall bleibt Verstappen trotzdem Weltmeister, da er in dieser Saison mehr Rennen gewonnen hat, obwohl er nach Punkten mit Hamilton gleichauf liegt.

Subject to appeal

Es scheint also, dass der Weltmeistertitel für Verstappen sehr nahe ist. Aber selbst wenn die Berufung von Mercedes abgelehnt wird, könnte Verstappen noch lange im Ungewissen bleiben. Mercedes könnte dann immer noch ein Verfahren vor einem französischen Gericht einleiten. Grundsätzlich könnte es noch Monate dauern, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Bis dahin ist das offizielle Endergebnis – wie auf dem Wettkampfformular angegeben – unter Vorbehalt, da es heißt “subject to appeal”. 

Ansprechpartner

Bei Fragen zum internationalen oder niederländischen Recht steht unsere Amsterdamer Anwaltskanzlei Ihnen gern zur Verfügung. Ihr deutschsprachiger Ansprechpartner bei AMS Advocaten ist Onno Hennis, onno.hennis@amsadvocaten.nl oder +31 20 308 03 15.

Onno Hennis

Onno Hennis

Bei AMS fokussiert sich Herr Hennis auf kommerzielle und gesellschaftsrechtliche Rechtsstreitigkeiten. In diesem Zusammenhang berät er Mandanten in allen Fragen des Gesellschaftsrechts, des Vertragsrechts, des Deliktsrechts und grenzüberschreitende Inkasso. Folgen Sie Onno auf LinkedIn.

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