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Gerichte müssen Fall- und Verhandlungseinzelheiten öffentlich machen

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Zusammenfassung

  • In Kürze kann jedermann eine Urteilskopie anfordern.
  • Gerichte werden Übersichten laufender Angelegenheiten (einschließlich Verhandlungsdaten) veröffentlichen müssen.
  • Nur unter eingeschränkten Bedingungen können fallbezogene Informationen unter Verschluss gehalten werden.

Bahnbrechendes Urteil

In einem bahnbrechenden Urteil erkannte der Hohe Rat (niederländischer oberster Gerichtshof) für Recht, dass niederländische Gerichte fallbezogene Daten öffentlich machen müssen. Hierbei geht es um Daten wie die beteiligten Parteien, den Verfahrensstand und Verhandlungseinzelheiten. Zudem müssen die Gerichte ihre Urteile öffentlich machen. Die Prozessakte selbst oder der erfolgte Schriftwechsel müssen nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Hintergrund

Derzeit ist es in den Niederlanden für Dritte schwierig, Einsicht in laufende Rechtsstreitigkeiten zu erhalten und Details über den Verfahrensstand zu erhalten. Anwälte können zwar das offizielle Fallregister prüfen, jedoch geht dies nur dann, wenn sie ein bestimmtes Aktenzeichen zur Hand haben. Gerichte erteilen telefonisch nur selten Auskunft an Parteien, bei denen es sich nicht um die Verfahrensbeteiligten oder deren Vertreter handelt. Ausnahmen werden lediglich für die Presse gemacht.

Revision aufgrund besonderer rechtlicher Bedeutung

Dies wird sich mit dem Urteil des Hohen Rates ändern, das der Generalanwalt im Rahmen einer Revision aufgrund besonderer rechtlicher Bedeutung erwirkt hat. Der Hohe Rat urteilte, dass die derzeitige Praxis nicht konform mit Artikel 6 EVRM ist und niederländische Gerichte Falldaten vorbehaltlich eingeschränkter Ausnahmeregelungen öffentlich machen müssen.

Neue und laufende Angelegenheiten

Gerichte werden Informationen über den Zeitpunkt sowie den Ort öffentlicher Verhandlungen, die behandelten Fälle sowie die Namen der Richter zur Verfügung stellen. Ferner ist eine Übersicht über laufende Angelegenheiten zu veröffentlichen, welche das Aktenzeichen, die beteiligten Parteien sowie den Verfahrensstand beinhalten muss. Personenbezogene Daten können zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen anonymisiert werden.

Urteile

Weiterhin vertrat der Hohe Rat die Auffassung, dass Urteile öffentlich zu verkünden sind, was bedeutet, dass jedermann eine Urteilskopie beantragen kann. So kann beispielsweise jedermann bei Gericht sämtliche Urteile anfordern, an denen eine bestimmte Partei als Verfahrensbeteiligte aufgeführt ist.

Beendete Fälle

Der Hohe Rat wies ausdrücklich darauf hin, dass Gerichte keine sonstigen Arten von Informationen, einschließlich solcher über Angelegenheiten, die beendet wurden (ohne dass ein Urteil gesprochen wurde), zur Verfügung stellen müssen. Wenn die Parteien im Laufe des Verfahrens somit einen Vergleich erzielen, lässt es sich im Anschluss daran nicht mehr öffentlich nachvollziehen, dass es das Verfahren jemals gegeben hat. 

Folgen

Dritte erhalten ab sofort verbesserte Möglichkeiten, sich über laufende Rechtsstreitigkeiten zu informieren. Die Gründe, bestimmte Angelegenheiten nachvollziehen zu wollen, sind vielfältig: So könnten interessierte Dritte auf dem Laufenden bleiben wollen über Angelegenheiten, welche juristische oder faktische Fragen betreffen, die für ihr eigenes Unternehmen relevant sind, oder über Streitigkeiten, an denen das Unternehmen beteiligt ist. Auch können Unternehmen an Rechtsstreitigkeiten interessiert sein, die gegen Wettbewerber anhängig sind. Unternehmen können mündlichen Verhandlungen im Zusammenhang mit bestimmten Angelegenheiten beiwohnen wollen oder es anstreben, in Angelegenheiten zu intervenieren, welche Berührungspunkte zu ihren eigenen rechtlichen Interessen aufweisen.

Zum anderen müssen sich Rechtssuchende in den Niederlanden darüber im Klaren sein, dass interessierte Dritte grundsätzlich Kenntnis von Ihrem Prozess erlangen und die während der mündlichen Verhandlung ausgetauschten Argumente verfolgen können.

Hinter verschlossener Tür

Es bleibt schwierig, einen Antrag auf vertrauliche Behandlung des Falls durchzusetzen. Das Gericht hat bei einem derartigen Antrag das öffentliche Interesse an der Rechtsprechung gegen den Wunsch nach Vertraulichkeit abzuwägen. Zudem besteht die Möglichkeit, den Parteien zu untersagen, über bestimmte Daten (beispielsweise sensible Informationen, welche die Wettbewerbsposition schwächen können) Auskunft zu erteilen.

AMS Advocaten: Erfahrung mit der Vertraulichkeit von Verfahren

Wenn Sie anlässlich dieses Urteils Fragen haben oder Interesse an der Vertraulichkeit eines bestimmten Verfahrens haben, stehen wir Ihnen gern für eine Beratung zur Verfügung. Wir haben Expertise und Erfahrung mit diesem Thema.

Onno Hennis

Onno Hennis

Bei AMS fokussiert sich Herr Hennis auf kommerzielle und gesellschaftsrechtliche Rechtsstreitigkeiten. In diesem Zusammenhang berät er Mandanten in allen Fragen des Gesellschaftsrechts, des Vertragsrechts, des Deliktsrechts und grenzüberschreitende Inkasso. Folgen Sie Onno auf LinkedIn.

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