Das niederländische und das deutsche Vertragsrecht weisen viele ähnliche Rechtsbegriffe und Rechtsprinzipien auf. Hinzu kommt, dass sowohl das niederländische als auch das deutsche Vertragsrecht teilweise auf europäischen Richtlinien beruhen, die Vorrang vor dem nationalen Recht haben. Dennoch gibt es erhebliche Unterschiede, die sich auf grenzüberschreitende Vertragsstreitigkeiten auswirken können.
Bei Verträgen zwischen einem deutschen und einem niederländischen Unternehmen ist die Bestimmung des anwendbaren Rechts von entscheidender Bedeutung. Streitigkeiten bezüglich der Erfüllung oder Auslegung des Vertrags werden nach den Regeln des anwendbaren Rechts entschieden. Die Parteien können das Recht, das sie auf den Vertrag anwenden wollen, selbst wählen. Fehlt eine solche Rechtswahl, wird das anwendbare Recht gemäß der EU-Verordnung Nr. 593/2008 (Rom I) bestimmt. Bei deutsch-niederländischen Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen findet automatisch das Wiener Kaufrecht (Weens Koopverdrag oder CISG) Anwendung, sofern dessen Geltung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.
Neben dem anwendbaren Recht können die Parteien in ihrem Vertrag auch das zuständige Gericht bestimmen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, sich auf das (nationale) Gericht des Landes zu einigen, dessen anwendbares Recht die Parteien auch gewählt haben. Im Falle fehlender vertraglicher Vereinbarung wird das zuständige Gericht gemäß der EU-Verordnung 1215/2012 (Brüssel-Ia-Verordnung oder EUCPR) bestimmt. In der Regel wird das Gericht des Landes zuständig sein, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren Sitz hat. Meistens handelt es sich dabei um das Land, in dem der (Wohn-)Sitz der Partei liegt, die die Waren oder Dienstleistungen zu erbringen hat (und nicht das Gericht am Sitz der Partei, die die Zahlung leisten muss).
Auch in den Niederlanden kommen Verträge durch Angebot und Annahme zustande. Das niederländische Vertragsrecht ist relativ flexibel, wenn es darum geht, wann ein Vertragsschluss zustande kommt. So können Verträge – wie in Deutschland – sowohl mündlich als auch schriftlich abgeschlossen werden. Allerdings ist ein mündlicher Vertrag schwieriger zu beweisen als ein schriftlicher Vertrag. In einigen Fällen kann sogar bereits eine verbindliche Vereinbarung vorliegen, weil die Parteien ihre Zusammenarbeit aufgenommen haben, ohne ihre Vereinbarungen (deutlich) zu Papier zu bringen. Bei Verträgen mit juristischen Personen ist es von Bedeutung, vorab zu prüfen, wer vertretungsberechtigt ist. Dies kann leicht im niederländischen Handelsregister überprüft werden.
In den Niederlanden können allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil sein. Nach niederländischem Recht ist die Anwendbarkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen recht einfach. In der Regel genügt der Verweis auf die AGB in einem Angebot und die (indirekte) Zugänglichmachung (z.B. durch einen Hyperlink) durch eine Partei. Im deutsch-niederländischen Verhältnis kann es je nach anwendbarem Recht anders sein, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbindlich sind. Wenn beide Vertragsparteien auf ihre eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisen, ist zu klären, welche Bedingungen gelten. Gemäß niederländischem Recht gelten grundsätzlich die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Partei, die das Angebot macht, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist. Ist hingegen das Wiener Kaufrecht anwendbar, kann sich jedoch etwas anderes ergeben. In diesem Fall gelten – je nach den Umständen des Falles – genau die Bedingungen der Partei, die das Angebot angenommen hat, oder zumindest nur die Bedingungen der beiden Parteien, die im Wesentlichen gleichartig sind. Im Rahmen des Wiener Kaufrechtsübereinkommens gibt es noch einige weitere Regeln für die Anwendbarkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen, wie z. B. die Verfügbarkeit der Bedingungen in der Vertragssprache und ihre Übermittlung.
Gemäß niederländischem Recht vereinbaren die Parteien gemeinsam den Vertragsinhalt. Ist der Wortlaut des Vertrages unklar und kann keine eindeutige Auskunft über die Parteivereinbarung geben, kann das Gericht mittels der allgemeinen Auslegungsregeln den Inhalt bestimmen. Das Gericht prüft dann die Absichten der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und die Mitteilungen, die sie einander über den Vertrag gemacht haben, sowie das, was sie vernünftigerweise aus diesen Mitteilungen hätten ableiten können. Diese Vorgehensweise wird als Haviltex-Formel bezeichnet. Zusätzlich bietet das niederländische Recht spezifische “Ergänzungsregeln” für bestimmte Verträge wie Arbeitsverträge, Abtretungsverträge und Kaufverträge, die Anwendung finden, wenn die Parteien nicht von diesen Regeln abgewichen sind. Des Weiteren gewährleistet das niederländische Recht, ebenso wie das deutsche Recht, einen umfassenden Rechtsrahmen für die wesentlichen Vertragsbestandteile.
Kommt eine Partei ihren Verpflichtungen nicht nach, hat die andere Partei in der Regel drei Möglichkeiten: Die Erfüllung der Verpflichtung (z. B. durch Reparatur oder Ersatz eines Produkts), die Zahlung von Schadensersatz oder den Rücktritt des Vertrags. Die Erfüllung kann jedoch verweigert werden, wenn sie nicht mehr möglich oder unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar ist. Für die Geltendmachung des Schadensersatzes muss die andere Partei in Verzug sein. Ein Verzug liegt vor, wenn die Nachbesserung unmöglich ist, nicht innerhalb der vereinbarten Frist geleistet oder nach einer Inverzugsetzung erfolgt oder verweigert wird. Nach niederländischem Recht bedarf es in der Regel einer schwerwiegenden Vertragsverletzung, um den Vertrag aufzulösen.
In den Niederlanden kann die Haftung für Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden, eine Ausnahme gilt jedoch in Fällen von Vorsatz. Der Haftungsausschluss muss jedoch klar und deutlich formuliert sein, da allgemeine Ausschlüsse oft nicht rechtsgültig sind. Bei Verbrauchergeschäften (B2C) ist ein vollständiger Haftungsausschluss in der Regel unzulässig.
Bei der Vertragsgestaltung in den Niederlanden ist es ratsam, sowohl das anwendbare Recht als auch die Vertragsbedingungen klar zu formulieren, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Es empfiehlt sich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um das Risiko von Vertragsverletzungen und Unklarheiten im anwendbaren Recht zu minimieren.
Unsere Anwälte sind täglich mit verschiedenen Aspekten des Vertragsrechts betraut, unabhängig davon, ob es sich um einen Kaufvertrag, eine Vergleichsvereinbarung, eine Vertriebsvereinbarung, eine Lizenzvergabe, einen Handelsvertretervertrag oder allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Wir führen auch regelmäßig Rechtsstreitigkeiten über das Zustandekommen, die Auslegung und die Erfüllung von deutsch-niederländischen Verträgen.
Unser deutschsprachiger Rechtsanwalt für Gesellschaftsrecht und Leiter des German Desks, Onno Hennis, steht Ihnen gerne für eine Beratung zur Verfügung per E-Mail onno.hennis@amsadvocaten.nl oder telefonisch unter +31 20 308 03 15 .